Schweden 2015

Die Ostfriesen und ein blinder Passagier in Schweden

Der US-amerikanische Ingenieur Edward A. Murphy, jr. prägte die Lebensweisheit, die eine Aussage über menschliches Versagen bzw. über Fehlerquellen in komplexen Systemen macht.
„Whatever can go wrong will go wrong.“ „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“
Diese Weisheit wird uns vermutlich lange an unsere zuletzt gemachte Schwedenreise erinnern, aber auch mahnen, dass es bei Weitem nicht „alles“ war, was hätte schiefgehen können.
Aber der Reihe nach.
Im September stand unsere nun schon so oft gemachte Angeltour nach Schweden an. Wir starteten wie gewohnt Freitagnachmittag mit vier Fahrzeugen und diesmal sogar 10 hoch motivierten Anglern gen Norden. Samstag früh kamen wir etwas übermüdet aber dennoch „heiß“ auf den ersten Angeltag im schwedischen Schärengarten an. Auf der Hinfahrt hatten wir bereits Glück gehabt, indem wir die unbeleuchtete Unfallstelle mitten auf der Autobahn gerade noch erkannten und ausweichen konnten. In einer zweiten Situation übernahm der Beifahrer mit kurzem Aufschrei die Spiegelarbeit beim Einscheren nach dem Überholvorgang. Der LKW im toten Winkel hätte den Wettkampf mit unserem Gespann sicherlich gewonnen. Puh, das war noch mal gut gegangen!
Bereits der erste Tag brachte reichlich Kontakte und jedes Boot fing in Zweier-Besetzung sicherlich 20-40 Hechte. Die Größen waren wie gewohnt in den Schären, zwar im Schnitt ganz nett, aber 90er mussten hart erkämpft werden. Dafür gab es aber an allen Tagen reichlich Fische und Bisse.

Neben den vielen Hechten gesellte sich zu unserer Verwunderung auch bereits am zweiten Tag der erste Schweden-Meter dieses Urlaubes und es sollte nicht der letzte gewesen sein. Bis zum Ende der Woche fingen wir insgesamt 5 Hechte über 100cm bis 112cm. Barsche konnten wir an den bekannten Stellen auf Ansage und in scheinbar endlosen Mengen fangen.

So gingen die Angeltage dahin! Mit viel Spaß auf dem Wasser, dem allabendlichen „Revue-passieren-lassen“ auf dem schönen großen Balkon mit einem Kaffee-Baileys (danke Jan!), geselligen Abenden in unserem schönen Ferienhaus (sind wir ein unerkannter Männerchor?), mit leckerem Essen vom Koch Rudi, mit Hechten, Adlern, Rehen, Blindschleichen und dem Ruf der Kolkraben. Herz, was willst du mehr!

Am Samstag früh hieß es dann: Einpacken, Boote auf die Trailer und ab gen Heimat. Wir freuten uns auf zu Hause.
Gerrit, Frank und ich hatten vielleicht die ersten 15 Minuten der Rückreise geschafft, als es passierte: auf der steilen Kuppe der schmalen Waldstraße in den Schären fuhren wir etwas zu weit auf der linken Seite, so dass wir ein entgegenkommendes Fahrzeug zu spät sahen um ausweichen zu können. Ein kurzer Aufschrei des Fahrers, dann der fast zeitgleiche Knall des Aufpralls und der Airbags. Nach dem ersten Schrecken und dem panischen Verlassen des Autos konnten wir zum Glück recht schnell auch den Fahrer des anderen Fahrzeugs aussteigen sehen. Wir hatten Glück gehabt! Beide Autos waren zwar hin, das Boot war ein Stück auf dem Trailer nach vorn gerutscht, aber ansonsten schien es nur die beiden Autos erwischt zu haben.

Es dauerte sicherlich 2 Stunden, bis ein Abschleppwagen auftauchte. Genau, es war EIN Abschleppwagen. Wie schön, dass der schwedische Fahrer durch Flexibilität glänzte, in dem er auf die obere Ebene des kleine LKW Fahrzeug Nummer eins zog, auf die untere Ebene dann Fahrzeug Nummer zwei und per Anhängerkupplung dann unser Boot. Angekommen in der nächstgelegenen Stadt wurden die Fahrzeuge auf die Fachwerkstätten verteilt. Wir hatten bis dahin noch die Illusion, dass man uns aufgrund von Gerrits ADAC-Plus-Mitgliedschaft sicherlich schnell ein entsprechendes Leihfahrzeug zur Verfügung stellen würde, damit wir unsere Reise fortsetzen könnten. Immerhin hatten wir gerade einmal einige km geschafft und noch eine Fahrt von ca. 14 Stunden vor uns. Das Unfallfahrzeug, so dachten wir, würde man bestimmt nach der Reparatur, sofern das denn noch möglich sei, zurück nach Deutschland bringen. So standen wir nun mit einem Boot auf einem Trailer in einem Gewerbegebiet bei der Abschleppfirma und die Telefone liefen heiß.

Um es kurz zu machen: Einen Leihwagen von Schweden nach Deutschland bekommt man nicht! Punkt! Zuerst dachten wir noch, dass liege an der Notwendigkeit einer Anhängerkupplung. Aber nein, es gibt einen Maximalbetrag für die Tageskosten des Leihwagens, der übrigens auch im Vertrag steht. Dieser Betrag ist ein Bruchteil der Kosten für einen Leihwagen in Schweden.
Wir bekamen Unterstützung des Abschleppdienstes, besorgten uns einen Stellplatz für das Boot und Gerrit entschied sich, bei „seinem“ Unfallauto zu bleiben, um in der kommenden Woche dann alles vor Ort regeln zu können. Immerhin übernahm der ADAC die Hotelkosten. Etwas geknickt hinterließen wir auch einen geknickten Gerrit im Norden Skandinaviens. „Gerrit, dafür wirst du lange einen Stein im Brett haben!“
Wir teilten das Gepäck so gut es ging neu auf, schafften in zwei der drei Autos jeweils einen weiteren Sitzplatz, teilten uns neu auf uns fuhren gegen 17 Uhr los.
Zwischenstand:
9 Personen, 3 Autos, 3 Boote
Wahnsinn, wir waren alle bereits 10 Stunden auf den Beinen und hatten es noch keine 100 km geschafft! Die Rückfahrt verlief dann weitestgehend unspektakulär, bis ich in Höhe des Buchholzer Dreiecks auf der Autobahn von einem lauten Schleif- und Nebengeräusch des Trailers aufwachte und etwas verstört Arnold fragte, was denn los sei. Arnold versuchte zu dem Zeitpunkt bereits, das Fahrzeug in ruhige Bahnen zu bringen und leicht ausrollen zu lassen, als uns von rechts mit einem Affenzahn das Rad inkl. Felge des Trailer ÜBERHOLTE. Das Rad hüpfte dabei nur so an uns vorbei und verschwand im Fernlicht. So kamen wir also auf dem Pannenstreifen zum Stehen.

Schlechtes Gefühlt auf der Autobahn, bei Nacht, ohne Tempolimit auf der Strecke. Also, Warnweste an, Warndreieck aus dem randvollen Auto gesucht, in der Zwischenzeit Polizei gerufen und mit der Taschenlampe den Verkehr gewarnt. Schnell riefen wir noch die anderen an, dass es einen zweiten Unfall zu beklagen gab, es uns aber gut ging und man uns auch nicht helfen könne. Wir hatten auch „nur“ noch ca. 3 Fahrtstunden vor uns und hielten es für besser, dass sich nur ein Gespann weitere Stunden mit diesem Pech beschäftigen sollte.
Zwischenstand:
6 Personen, 2 Autos, 2 Boote
Die Minuten laufen einfach viel langsamer, als wenn man einen Hotspot in der letzten halben Stunde des Tages befischt.
Die Polizei kam, sicherte die Unfallstelle und brachte uns brav die Felge zurück, die etwa 150 m voraus, zum Glück am Fahrbahnrand lag. Da sagen wir noch mal „Glück gehabt!“.
Insgesamt vermischte sich die Stimmung zunehmend mit Sarkasmus und wir nahmen, ob man es nun glauben mag oder nicht, die Angelegenheit mit einer kleinen Portion Humor.
Der Fahrer des Abschleppdienstes war so wunderbar entspannt, gab freundlich jedem Hand, stellte sich kurz vor und nahm dann das Gespann in Augenschein: „Och, drauf kriegen wir den fix, aber wie wieder runter? Der hat ja gar kein Rad mehr an einer Seite? Och, erstmal rauf auf’n Trailer und runter von der Bahn!“ Der Plan passte auch zu unserem größten Wunsch. Runter von der Autobahn. Mit Improvisation, untergelegten Hölzern, Wagenhebern, Taschenlampen und Hoffnung war nach ca. 1 Stunde der Trailer auf dem Abschlepp-LKW. Dazu muss man sagen, dass das voll ausgerüstete Kaasbol-Boot über 1 Tonne wiegt.
Wir fuhren nun mit dem Auto dem Abschleppwagen hinterher und überlegten uns bereits eine Idee, wie wir denn den Trailer wieder von der Ladefläche bekommen sollten. Aber nach der Ankunft auf dem Werkstattgelände stand zuerst der Papierkram an. Wir wärmten uns im Büro auf, es war mittlerweile ca. 05:00 Uhr morgens und wir wollten nur noch eines: nach Hause ins Bett. 22 Stunden waren wir auf den Beinen! Papierkram fertig, alle nach draußen, Plan machen zum Abladen! Der Fahrer steigt in den LKW, nichts passiert. Er kam nach ca. 1 Minute wieder raus, schüttelte den Kopf und sagte: „der LKW springt nicht an! Gibt keinen Laut von sich. Der hat auf der Autobahn schon Zicken gemacht!“ Der Fahrer probierte es noch eine Weile, bis er uns mitteilte, dass er da nun auch nichts mehr machen könne, wir sollten mal losfahren mit dem Auto und er regele das Abladen des Bootes im Hellen mit seinem Kollegen. Spätestens da wussten wir, wir haben einen blinden Passagier – und der heißt Murphy.
Morgens um acht kamen wir in Uplengen an. Was für eine Reise! Noch waren wir nicht wieder vollzählig! Es fehlten noch Gerrit, ein BMW X1, 1 Buster und 1 Kaasbol inkl. Trailer.
Gerrit kümmerte sich gleich am Montag um die Frage, wie man denn nun ein Angelboot und ein demoliertes Auto aus Schweden zurückbekommt. So verhandelte er kurzerhand ein Budget mit dem ADAC, sofern er sich um den Rücktransport selbst kümmern würde. Es wurde also ein Fahrzeug mit Ladefläche und Anhängerkupplung auf den Weg nach Schweden geschickt, um Gerrit, sein Fahrzeug und unser Boot abzuholen. Das Ganze war dann am Mittwoch erledigt. Wir hatten Gerrit, Tomahawk und den BMX zurück! Auf der Rücktour ging dann noch die Elektronik des Trailers kaputt und es wurde noch ein schönes Foto von den beiden Insassen gemacht.
Seit Dezember ist nun auch das Boot von Arnold und Arend wieder zu Hause, mit neuem Trailer.
Endstand:
10 Angler, 4 Boote, dazu eine leichte Erneuerung innerhalb der Trailer- und Autoflotte. Das ist doch auch was Schönes.
Nun sind mittlerweile 3 Monate vorüber, die Schäden sind beglichen, der Schwedenfilm wurde geschaut, alle verteilten Gepäckstücke wieder an Ort und Stelle und mit diesem Bericht ist auch diese Schwedentour abgeschlossen.
Ich denke, dass uns diese Reise lange im Gedächtnis bleibt. Der erste Teil, mit tollem Wetter, reichlich Fischen, ganz viel Spaß in unserer Gemeinschaft. Aber auch mit einem zweiten Teil, der uns voll erwischt hat, unsere Nerven auf die Probe gestellt hat, einige Euros gekostet hat. Aber wie sagt man so schön. „Es hätte schlimmer sein können!“
Auf ein neues Abenteuer, gemeinsam geht das!
Euer Ralf

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